Glyphosat – Neuzulassung: Ein begrüßenswerter Schritt?

Die EU hat die Zulassung von Glyphosat um weitere 10 Jahre verlängert. Wir begrüßen diese Entscheidung als Sieg der Wissenschaft und von Wissenschaft geleiteter Politik. Das Thema wird uns allerdings weiter begleiten, Verbände wie Greenpeace haben bereits weitere Proteste angekündigt und wollen die Verbote nun offenbar auf nationaler Ebene durchsetzen [1]. Lesen Sie hier unsere Meinung zu dem Thema.

Geschichte in der EU

Seit seiner Einführung im Jahr 1974 unter dem Produktnamen Roundup hat sich der Wirkstoff Glyphosat zu einem Eckpfeiler der modernen Landwirtschaft entwickelt. Als sogenanntes Breitbandherbizid kann es gegen die meisten Arten von Unkräutern effizient eingesetzt werden. Heute ist es das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid. Landwirte nutzen Glyphosat vor der Aussaat von Feldfrüchten, um Unkräuter abzutöten und ermöglichen so ein ertragreiches Wachstum. Aus der modernen Landwirtschaft und der weltweiten Nahrungsversorgung ist der Wirkstoff kaum mehr wegzudenken.

Doch spätestens seit 2015 kippte die Stimmung gegen Glyphosat. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stufte das Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend” ein. Ungeachtet der unklaren Studienlage und anderer Institute, die zu einem anderen Ergebnis kamen, begannen weltweit Verbotsverfahren und Klagewellen.

So auch in der EU. Hier wurde 2017 beschlossen, Glyphosat nur noch für weitere fünf Jahre zuzulassen. 2022 wurde diese Frist um ein weiteres Jahr verlängert mit der Begründung, dass die Bewertung von Nutzen und möglicher Schädlichkeit von Glyphosat sehr umfangreich und komplex sei. Im Juli 2023 stellte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dann eine Neubewertung der Auswirkungen von Glyphosat vor. Der Bericht konnte keine Bereiche identifizieren, die Anlass zur Besorgnis geben, wies aber zu einigen Aspekten auf unzureichende Daten hin [2].

Am 13. Oktober 2023 sollte dann über die weitere Verwendung von Glyphosat für zehn Jahre entschieden werden. Doch es kam zu keiner Einigung. Bis zum 15. Dezember 2023 musste nun eine Entscheidung erfolgen, da dann die  Zulassung des Herbizids abgelaufen wäre [3]. 

Am 16. November 2023 kam es dann erneut zu einer Abstimmung, erneut konnte weder für die weitere Zulassung noch für ein Verbot eine qualifizierte Mehrheit erzielt werden. In diesem Fall sieht das EU-Recht vor, dass die Europäische Kommission vor dem Ablauf der Zulassung eine Entscheidung treffen muss. 

Die Europäische Kommission entschied eine weitere Zulassung von Glyphosat für die nächsten zehn Jahre. Grundlage hierfür waren die umfassenden Sicherheitsbewertungen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten durchgeführt wurden. 

Gleichzeitig wurden einige Einschränkungen für den Einsatz von Glyphosat beschlossen, vor allem ein Verbot der Verwendung als Trockenmittel vor der Ernte [4].

Welche Bedeutung hat Glyphosat?

Auf einem Feld voller Unkraut können keine Kulturpflanzen wachsen. Als Breitbandherbizid zerstört Glyphosat die meisten Unkräuter vollständig. Darüber hinaus wird Glyphosat nach der Behandlung sehr schnell neutralisiert, so dass es kaum ins Grundwasser gelangt [5]. Für den Menschen ist es relativ ungiftig und gelangt bei sachgerechter Anwendung vor der Aussaat auch nicht in die Nahrung.

Aus wirtschaftlicher Sicht senkt Glyphosat die Kosten für die Erzeugung von Lebensmitteln und erhöht den Ertrag auf einer landwirtschaftlichen Fläche. Nahrungsmittel werden so erschwinglicher und für eine breitere Bevölkerung zugänglich. – So trägt Glyphosat weltweit zur Ernährungssicherheit und zum Kampf gegen den Hunger bei.

Die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen, die gegen Glyphosat resistent sind, hat diese Vorteile noch verstärkt. Im Jahr 2015 machten solche glyphosatresistente Pflanzen einen Großteil der landwirtschaftlichen Erträge in den USA aus: Etwa 90 Prozent des Mais-, Getreide- und Soja-Anbaus waren gentechnisch so verändert, dass die Pflanzen gegen Glyphosat resistent sind [6].

Insgesamt hilft Glyphosat also, die Nahrungsmittelproduktion an die Bedürfnisse einer wachsenden Weltbevölkerung anzupassen. Durch effektive Unkrautbekämpfung, die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken und die Steigerung der Erträge spielt Glyphosat bei der Sicherung einer ausreichenden und bezahlbaren Nahrungsmittelversorgung eine entscheidende Rolle.

Was ist „No-Till“-Farming?

Ohne Glyphosat muss das Unkraut auf andere Weise entfernt werden und das macht man in der Landwirtschaft vor allem durch Pflügen. Dabei landet das Unkraut tief unter der Erde, langfristig wird jedoch das Ökosystem im Boden zerstört. Pilze, Würmer und Insekten sterben durch das Pflügen, der Kohlenstoffgehalt des Ackers nimmt ab. Es entstehen sogenannte „Kulturböden“: Überwiegend frei von Leben und arm an organischer Substanz, haben diese Böden eine sehr schlechte Biodiversität, was sich sogar auf angrenzende Ökosysteme auswirkt [7].

Konservierende Anbaumethoden wie das „No-Till“-Farming (im Deutschen Direktsaat) funktionieren derzeit nur in Verbindung mit dem Einsatz von Herbiziden. Dabei wird das Feld nicht gepflügt, sondern das Unkraut wird vor der Aussaat vernichtet und dann wird ausgesät. Weil der Boden dabei nicht oder nur minimal umgepflügt wird, bleibt er vor Erosion geschützt, die Bodenstruktur und -gesundheit bleibt erhalten, Kohlenstoff bleibt im Boden gespeichert und letztlich wird die Produktivität des Bodens für zukünftige Anpflanzungen sichergestellt. 

Zusätzlich haben ungepflügte Äcker mit Zwischenfrüchten einen höheren Albedowert als blanke Erde. So könnte die Menge der auf der Erde absorbierten Sonnenstrahlung reduziert werden [8]. 

Glyphosat hilft also, unsere Böden und unsere Lebensgrundlage zu erhalten. Doch warum steht Glyphosat in der Kritik?



Traktoren auf einem gepflügten Feld. Mit „No-Till“-Farming und Glyphosat könnte das anders aussehen.

 

Ist Glyphosat krebserregend?

Die International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation klassifizierte Glyphosat im Jahr 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“. Diese Einstufung basiert hauptsächlich auf epidemiologischen Studien [9]. Es ist wichtig zu betonen, dass Glyphosat eben nicht als „krebserregend“ eingestuft wurde, sondern eine Stufe darunter, so wie Fleisch oder heißes Wasser. Außerdem kommen andere Organisationen, einschließlich der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) zu anderen Schlüssen.

Natürlich sollten Rückstände von Glyphosat in Lebensmitteln so gering wie möglich sein. Es gibt Grenzwerte für die Menge an Glyphosat in Lebensmitteln, die für den Menschen unbedenklich ist. Obwohl in einigen Fällen Rückstände nachgewiesen wurden, lagen diese immer unter den Grenzwerten. Zwischen 2003 und 2011 wurden in 27 von 1230 Proben Glyphosatrückstände gefunden, Grenzwerte wurden nie überschritten [10].

Die unklaren und minimalen Risiken für den Menschen rechtfertigen also keinesfalls ein Totalverbot des Herbizids.

Zerstört Glyphosat die Umwelt?

Allerdings gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt. Die Kritik, Glyphosat sei schädlich für Pflanzen, ist nicht von der Hand zu weisen. Als Herbizid soll es eben Unkraut vernichten, und zwar möglichst vollständig. Die Frage ist also eher, wie viel vom Feld in die Umwelt gelangt. Zum Glück ist das sehr wenig, denn Glyphosat im Boden wird schnell neutralisiert und verdunstet kaum [11].

Im Wasser wird Glyphosat mit einer durchschnittlichen Halbwertszeit von 7-14 Tagen durch Sedimente und Mikroben abgebaut. Da Auswirkungen auf Insekten und andere Lebewesen nicht ausgeschlossen werden können, muss der Fokus auf einem zielgerichteten Einsatz liegen. Bei unsachgemäßer Anwendung, etwa zum Abtöten von Getreide vor der Ernte oder bei Überdosierung, steigt das Risiko für die Umwelt.

Beim Bewerten möglicher Schäden muss zudem berücksichtigt werden, dass Glyphosat je nach Produkt in Kombination mit anderen chemischen Verbindungen eingesetzt wird und die Schädlichkeit daher auch zwischen Glyphosat-Produkten stark variieren kann.

Im wissenschaftlichen Diskurs ist es wichtig, Daten kritisch zu hinterfragen und einen Konsens aus wiederholbaren und unabhängigen Ergebnissen herzustellen. Derzeit ist es Konsens, dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung weniger gefährlich für Mensch und Natur ist als alternative Herbizide [12].

Was wären die Folgen eines Verbots?

Ein Verbot von Glyphosat in Europa würde unweigerlich zu tiefgreifenden Veränderungen in der Landwirtschaft führen, vor allem ihre Produktivität wäre gefährdet. Viele Landwirte sind auf das Herbizid angewiesen, ohne Glyphosat könnte es zu erheblichen Ertragseinbußen kommen.

Das Verbot könnte auch zu höheren Betriebskosten für die Landwirte führen, da sie möglicherweise auf weniger effiziente oder teurere Methoden zur Unkrautbekämpfung zurückgreifen müssten. Dies würde letztlich zu höheren Verbraucherpreisen für Lebensmittel und andere Agrarprodukte führen.

Zur Unkrautbekämpfung könnten die Landwirte gezwungen sein, künftig wieder häufiger zu pflügen, was sich negativ auf Bodenqualität und CO2-Emissionen auswirken könnte. Infolge der Ertragseinbußen würde der Bedarf an Ackerland steigen und weniger Flächen für eine gesunde Natur zur Verfügung stehen.

Schätzungen gehen davon aus, dass bei einem Verbot in Europa die Ernteerträge um 1 bis 20 Prozent zurückgehen, bei gleichzeitiger Verschlechterung der Bodenqualität und erhöhten Treibhausgasemissionen durch das Pflügen der Felder [12]. Schätzungen zu den Folgen eines Glyphosat-Verbots in Mexiko sind sogar noch deutlich pessimistischer: Die Ernteerträge könnten um bis zu 40 Prozent zurückgehen. In der Folge würden die Nahrungsmittelpreise steigen und der Zugang zu Nahrungsmitteln für einkommensschwache Verbraucher wäre erschwert [13].

Tatsächlich gibt es ein Land, das Glyphosat in der Vergangenheit verboten hat: Sri Lanka führte 2015 ein Verbot ein. Die Folgen für Mensch und Natur waren katastrophal: Die Produktion sank, die Preise für Grundnahrungsmittel stiegen, ehemalige Felder erodierten und der Schwarzmarkt für Herbizide boomte [14]. Bereits drei Jahre später sah sich Sri Lanka gezwungen, das Verbot schrittweise wieder aufzuheben.

Fazit

Glyphosat spielt in der Landwirtschaft und damit in der weltweiten Nahrungsmittelversorgung eine herausragende Rolle. Es trägt zu einem effizienten Anbau von Nahrungsmitteln bei, ohne den Wirkstoff bräuchten wir mehr Anbaufläche und die Produktionspreise wären höher. 

Wir könnten auf Glyphosat verzichten, aber die Alternativen sind keineswegs besser: Wenn Landwirte mehr pflügen, um Unkräuter unter Kontrolle zu halten, verstärken sie die Bodenerosion. Andere Herbizide können die Umwelt stärker belasten oder sind weniger wirksam. Andere Methoden der Unkrautbekämpfung müssen erst noch auf ihre Wirksamkeit getestet werden.

Um ein Verbot zu rechtfertigen, müssten die mit dem Herbizid verbundenen Risiken daher erheblich sein. Zahlreiche renommierte Institutionen weltweit bestätigen jedoch die Sicherheit von Glyphosat. Zuletzt wurde die Sicherheit des Wirkstoffs bei sachgemäßer Anwendung durch die EU festgestellt. Auf dieser Basis erfolgte auch die weitere Zulassung von Glyphosat. 

Wir schließen uns dieser Bewertung an. Ein Verbot würde weder der Natur noch den Menschen etwas bringen. Und es würde die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten treffen: diejenigen, die mit steigenden Lebensmittelpreisen nicht mithalten können, oder Landwirte, die nicht auf andere Methoden der Unkrautbekämpfung umsteigen können.

Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist Glyphosat eines der besten Werkzeuge, das uns zur Verfügung steht. Aber wir halten auch die durch die EU beschlossenen erweiterten Regularien gegen den Einsatz zum Trocknen von Getreide vor der Ernte für sinnvoll. 

Gleichzeitig begrüßen wir die stetigen Fortschritte in der Agrarforschung und sind überzeugt, dass innovative Methoden in der Landwirtschaft weiterentwickelt werden müssen – auch bei der Unkrautbekämpfung. 

Glyphosat wird für eine hocheffiziente Landwirtschaft benötigt, die es uns ermöglicht, die Weltbevölkerung zu ernähren und gleichzeitig noch Flächen für die Natur freizuhalten. Durch den Schutz der Flächen kann die Biodiversität erhalten und verbessert werden [15]. Zukünftige Technologien und fortschreitende Digitalisierung der Landwirtschaft werden den Pestizideinsatz darüber hinaus immer weiter reduzieren. 

Quellen:

[1] a) https://presseportal.greenpeace.de/232048-stellungnahme-zur-eu-entscheidung-uber-die-wiederzulassung-von-glyphosat
b) https://www.greenpeace.org/luxembourg/de/presseerklaerungen/20303/greenpeace-zeigt-empoerung-ueber-glyphosat-verlaengerung-und-fordert-luxemburger-regierung-zu-erneutem-verbot-auf/  

[2] https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.2903/j.efsa.2023.8164  

[3] https://food.ec.europa.eu/plants/pesticides/approval-active-substances/renewal-approval/glyphosate_en 

[4] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/statement_23_5792  

[5] https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/pflanzenschutzmittel/glyphosat 

[6] https://www.ers.usda.gov/data-products/adoption-of-genetically-engineered-crops-in-the-u-s/recent-trends-in-ge-adoption/ 

[7] https://soilify.org/magazin/der-gnadenlose-kampf-gegen-glyphosat/ 

[8] a) https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2005GL025492
b) https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0959652619331774 

[9] https://www.iarc.who.int/featured-news/media-centre-iarc-news-glyphosate/ 

[10] https://dserver.bundestag.de/btd/17/071/1707168.pdf 

[11] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ps.1518 

[12] https://link.springer.com/article/10.1186/s12302-022-00667-3 

[13] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ps.6362?af=R 

[14] https://www.croplifeasia.org/wp-content/uploads/2018/11/Impacts-of-Banning-Glyphosate-on-Agriculture-Sector-in-Sri-Lanka-A-Field-Evaluation.pdf   

[15] https://zslpublications.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/jzo.12920 

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